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Regency Secrets

Drei Romane in einem eBook: "Das Verlangen des Marquis", "Das Geheimnis des Lords" und "Der Herzog und die Schöne"

von Constance Hall (Autor:in) Joachim Honnef (Übersetzung) Bettina Albrod (Übersetzung) Britta Evert (Übersetzung)
©2022 1252 Seiten

Zusammenfassung

Drei Ladies aus bestem Hause und das Abenteuer Liebe: Der Romantik-Sammelband »Regency Secrets« von Constance Hall jetzt als eBook bei venusbooks.

Rauschende Ballnächte voller Musik und Tanz? Davon können diese drei Schönheiten nur träumen: Meagan ist außer sich vor Zorn, als ihr Bruder das Familienvermögen verspielt … und ihre Hand noch dazu! Niemals, so schwört sie sich, wird sie den Marquis von Waterton lieben – der zwar überaus attraktiv ist, aber möglicherweise ein dunkles Geheimnis hütet … Auch die willensstarke Regan hat andere Pläne als das Eheglück: Sie will Abenteuer erleben und auf der Isle of Skye einen verborgenen Schatz finden – wobei ihr der verflixt charmante Schlossbesitzer Lachlan MacGregor im Wege steht … Und Kelsey? Die lächelt zwar sittsam, als sie nach Stillmore Castle kommt, doch in ihrem Herz lodert ein Feuer: Endlich wird sie Rache nehmen an dem ruchlosen Lord, der ihren Vater ins Unglück gestürzt hat! Und tatsächlich scheint Edward Noble ein Schuft zu sein, der ihre ungezügelte Wut verdient. Aber warum fühlt Kelsey sich trotzdem wie magisch zu ihm hingezogen?

Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der Romance-Sammelband »Regency Secrets« von der erfolgreichen Romantik-Autorin Constance Hall versammelt die erfolgreichen historischen Liebesromane »Das Verlangen des Marquis«, »Das Geheimnis des Lords« und »Der Herzog und die Schöne«. Lesen ist sexy – venusbooks: der erotische eBook-Verlag.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Über dieses Buch:

Rauschende Ballnächte voller Musik und Tanz? Davon können diese drei Schönheiten nur träumen: Meagan ist außer sich vor Zorn, als ihr Bruder das Familienvermögen verspielt … und ihre Hand noch dazu! Niemals, so schwört sie sich, wird sie den Marquis von Waterton lieben – der zwar überaus attraktiv ist, aber möglicherweise ein dunkles Geheimnis hütet … Auch die willensstarke Regan hat andere Pläne als das Eheglück: Sie will Abenteuer erleben und auf der Isle of Skye einen verborgenen Schatz finden – wobei ihr der verflixt charmante Schlossbesitzer Lachlan MacGregor im Wege steht … Und Kelsey? Die lächelt zwar sittsam, als sie nach Stillmore Castle kommt, doch in ihrem Herz lodert ein Feuer: Endlich wird sie Rache nehmen an dem ruchlosen Lord, der ihren Vater ins Unglück gestürzt hat! Und tatsächlich scheint Edward Noble ein Schuft zu sein, der ihre ungezügelte Wut verdient. Aber warum fühlt Kelsey sich trotzdem wie magisch zu ihm hingezogen?

Über die Autorin:

Constance Hall lebt mit ihrer Familie in Richmond, Virginia. Sie hat bereits zahlreiche Romane unter ihrem eigenen Namen und unter Pseudonymen veröffentlicht; unter anderem schrieb sie erfolgreiche Filmromane. Ihre große Leidenschaft gilt aber dem Historischen Roman, und ganz besonders hat es ihr das 19. Jahrhundert angetan.

Bei venusbooks veröffentlichte Constance Hall neben den in diesem Sammelband vorliegenden Romanen außerdem »Der Ritter und die Lady«.

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Sammelband-Originalausgabe Dezember 2022

Ein eBook des venusbooks-Verlags. venusbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, München.

Die amerikanische Originalausgabe von »Das Verlangen des Marquis« erschien 1999 unter dem Titel »My Wicked Marquess« bei Kensington, New York. Die deutsche Erstausgabe erschien 2003 unter dem Titel »Tausend Küsse in der Nacht« im Bastei Lübbe Taschenbuch. | Copyright © der Originalausgabe 1999 by Connie Koslow. Published by Arrangement with Kensington Publishing, Corp., New York, NY 10018 USA. – Copyright © für die deutschsprachige Erstausgabe 2003 by Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, Bergisch Gladbach. – Copyright © der Neuausgabe 2019 dotbooks GmbH, München.

Die amerikanische Originalausgabe von »Das Geheimnis des Lords« erschien 2002 unter dem Titel »Isle of Skye« bei Kensington, New York. Die deutsche Erstausgabe erschien 2005 unter dem Titel »Im Herzen des Verlangens« im Bastei Lübbe Taschenbuch. | Copyright © der Originalausgabe 2002 by Connie Koslow. Published by Arrangement with Kensington Publishing, Corp., New York, NY 10018 USA. – Copyright © für die deutschsprachige Erstausgabe 2005 by Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, Bergisch Gladbach. – Copyright © der Neuausgabe 2019 dotbooks GmbH, München.

Die amerikanische Originalausgabe von »Der Herzog und die Schöne« erschien 1998 unter dem Titel »My Darling Duke« bei Kensington, New York. Die deutsche Erstausgabe erschien 2003 unter dem Titel »Dunkle Nächte des Verlangens« im Bastei Lübbe Taschenbuch. | Copyright © der Originalausgabe 1998 by Connie Koslow. Published by Arrangement with Kensington Publishing, Corp., New York, NY 10018 USA. – Copyright © für die deutschsprachige Erstausgabe 2003 by Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, Bergisch Gladbach. – Copyright © der Neuausgabe 2019 dotbooks GmbH, München

Copyright © der Sammelband-Originalausgabe 2022 venusbooks Verlag. venusbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, München.

Diese Werke wurden vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von adobestock.com und shutterstock.com

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ts)

ISBN 978-3-96898-233-5

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Constance Hall

Regency Secrets

Drei Romane in einem eBook: »Das Verlangen des Marquis«, »Das Geheimnis des Lords« und »Der Herzog und die Schöne«

Aus dem Amerikanischen von Joachim Honnef, Bettina Albrod und Britta Evert

venusbooks

DAS VERLANGEN DES MARQUIS

Aus dem Englischen von Joachim Honnef

***

London im Jahre 1823. Die schöne Meagan Fenwick ist außer sich vor Zorn: Ihr nichtsnutziger Bruder hat das Familienvermögen verspielt … und ihre Hand noch dazu! Niemals, so schwört sie sich, wird sie auch nur ein freundliches Wort finden für ihren zukünftigen Ehemann Barrett Rothchild, den Marquis von Waterton. Doch dann wird sie ihm offiziell vorgestellt und bekommt weiche Knie: Barrett ist jener geheimnisvolle Fremde, dem sie schon zweimal begegnet ist und der jedes Mal ein ungeahntes Feuer in ihr entfachte. Gegen ihren Willen verliebt Meagan sich nun in ihn – doch sie ahnt nicht, welches Geheimnis Barrett hütet …

Kapitel 1

London, Dezember 1823

Barrett Rothschild, der Marquis von Waterton, verharrte vor dem Zelt. Auf einem Schild vor dem Eingang stand geschrieben:

GESELLSCHAFT FÜR DIE BEDÜRFTIGEN
Zwölfter jährlicher Weihnachtsbasar

Er fragte sich, weshalb Sir James Neville, sein Cousin und Leiter der Abteilung für auswärtige Angelegenheiten, ihn an einem solch öffentlichen Platz treffen wollte – besonders, weil er in seiner Nachricht mitgeteilt hatte, dass es um eine Sache der nationalen Sicherheit ging.

Barrett passierte einige lächelnde Gentlemen und betrat das Zelt. Die Hitze zweier Kohlenfeuer wärmte seine kühlen Wangen, als er die Stände an den Zeltwänden betrachtete. Eine Ansammlung von Handarbeiten, handgefertigten kleinen Teppichen, Töpferwaren, Aquarellen und Gebäck lag auf den Theken, wo sich einige Damen tummelten; doch der am meisten besuchte Stand befand sich im hinteren Teil des Zeltes.

Sieben Leute standen in einer Schlange vor dem Eingang, der mit Mistelzweigen und roten Bändern dekoriert war. Ein großes Holzschild verkündete:

DIE WINTERPRINZESSIN SAGT IHR GLÜCK VORAUS – NUR EINEN SHILLING

Barrett hob sein Lorgnon. Derjenige, der für den Stand verantwortlich gewesen war, hatte ihn geschickt mit Tüchern verhängt, sodass er geheimnisvoll und verlockend wirkte. Er wurde von einem hellen Licht erleuchtet, das die Silhouette der »Prinzessin« und die des Besuchers auf die Plane warf.

Eine Frau mittleren Alters stand lustlos vor dem Stand. Sie schien für das Einsammeln des Eintrittsgeldes verantwortlich zu sein. Die Frau war blond, von stattlicher Gestalt und wie ein Dienstmädchen gekleidet. An der Art, wie sie den Eingang mit dem Blick eines Wachtmeisters bewachte, war offenkundig, dass ihre Herrin die Winterprinzessin sein musste.

Barrett betrachtete die Silhouette der Prinzessin genauer. Ihr Haar floss in Wellen bis auf ihren Rücken hinab. Das Gesicht wurde so von einem Schleier verhüllt, dass nur ihre Augen sichtbar waren. Ihr fülliger Busen, deutlich umrissen von dem Licht, nahm Barretts Aufmerksamkeit zunächst in Anspruch; dann schweifte sein Blick über ihre schmale Taille bis zu den sinnlich gerundeten Hüften. Seine Fantasie beschwor allerlei Bilder herauf, wie sie in natura aussehen mochte. Die fünf Gentlemen, die in der Schlange warteten, um sich die Zukunft vorhersagen zu lassen, mussten das Gleiche gedacht haben.

Barrett rief sich in Erinnerung, weshalb er hier war, und hielt unter den Basarbesuchern Ausschau nach der breitschultrigen Gestalt und dem rabenschwarzen Haar seines Cousins James. Er entdeckte ihn, als dieser gerade den Stand der Winterprinzessin verließ. Bevor James die Segeltuchplane fallen ließ, wandte er sich um und schenkte der Prinzessin noch ein charmantes Lächeln. Dann verabschiedete er sich von ihr. Als James Barrett bemerkte, ging er zu ihm. Seine schwarzen Augen funkelten belustigt.

»War es so amüsant, dir wahrsagen zu lassen?«, fragte Barrett und beobachtete, wie ein anderer Gentleman der blonden Frau einen Shilling überreichte und zur Winterprinzessin eingelassen wurde.

»In der Tat, vor allem wenn die Wahrsagerin so intelligent und verlockend wie die da drinnen ist.« James' Mundwinkel verzogen sich zu einem Grinsen. Nach einem abschätzenden Blick auf Barrett wechselte er das Thema. »Warum bist du so spät dran? Du solltest mich doch vor einer halben Stunde schon treffen.«

»Ich wurde bei Tattersall's aufgehalten.«

»Dein Stall ist bereits voller Pferde.« James kannte Barrett besser als sich selbst, und dies bewies er jetzt, indem er fragte: »Leidest du wieder an deiner Weihnachts-Melancholie? Jeden bei Tattersall's zu überbieten, wird es nicht besser machen.«

»Ich brauchte ein paar neue Jagdpferde.« Barrett behielt seine ausdruckslose Miene bei und verbarg damit, dass er soeben gelogen hatte.

»Klar brauchtest du die.« James musterte seinen Cousin mit wissendem Blick.

Barrett würde James gegenüber niemals zugeben, dass er das Gefühl hatte, Weihnachten würde dieses Jahr noch trostloser als einige vergangene aus Kindertagen. Deshalb hatte er das Bedürfnis nach ein wenig Zerstreuung gehabt, um sich aufzuheitern. Er erkannte, dass James wohl seine Gedanken las und wechselte hastig das Thema. »Warum hast du ausgerechnet den Basar zu diesem Treffen ausgewählt?«

»Ich unterstütze ihn jedes Jahr und dachte mir, ich könnte so zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.« James lächelte.

»Was gibt es so dringend?« Barrett hängte seinen Spazierstock über den Arm und zog seine Schnupftabakdose hervor.

»Ich brauche deine Hilfe bei einem Fall.« Eine Gruppe von Damen schritt mit raschelnden Seidenkleidern an ihnen vorbei. James senkte die Stimme. »Ich muss diesmal außerhalb des Außenministeriums ermitteln. Ein Verräter arbeitet für mich, und ich habe noch nicht herausgefunden, wer es ist.«

»Muss ich wieder nach Frankreich reisen?«

»Nein. Diesmal spielt sich der Fall hier ab. Ich brauche dich, um Lord Fenwick Knüppel zwischen die Beine zu werfen.«

»Fenwick.« Barrett klopfte mit seinen behandschuhten Händen auf den gerundeten Griff seines Spazierstocks und runzelte die Stirn. Er dachte angestrengt nach. »Ich habe den Gentleman in der Stadt gesehen. Steht in dem Ruf, ein leichtsinniger Spieler zu sein. Spielt um hohe Einsätze, glaube ich. Erbte vor ein paar Jahren ein Vermögen mit seinem Titel.«

»Ja. Seit Fenwick geerbt hat, hat er nahezu sein gesamtes Vermögen auf den Kopf gehauen. Er hat fast bei jedem in der Stadt Schulden.«

»Was hat Fenwick denn getan?«

»Meine Quellen sagen mir, dass er ein Mitglied der Advokaten des Teufels ist.«

»Ein ziemlich unangenehmer Kreis radikaler Extremisten. Hervorgegangen aus der Thistlewood-Gruppe, nicht wahr?«

James nickte. »Nach der Cato-Affäre. Bis jetzt sind sie harmlos gewesen.«

Barrett runzelte die Stirn und erinnerte sich an die Sensation, die Arthur Thistlewood im Jahre 1820 verursacht hatte. Er hatte versucht, die Mitglieder des Kabinetts zu ermorden und die Macht zu ergreifen. Doch er wurde mit seinen zwanzig Gefolgsleuten auf einem Speicher in der Cato Street gefangen genommen. Thistlewood und vier andere wurden gehängt.

»Was planen sie jetzt?«, fragte Barrett, den Blick auf die Silhouette der Winterprinzessin gerichtet.

»Ich habe erfahren, dass sie ein hohes Tier der Regierung ermorden wollen, aber ich bin mir nicht sicher, wen. Wir werden das durch Fenwick herausfinden.«

»Das sollte nicht schwierig sein.« Barrett blickte wieder zum Stand der Winterprinzessin. Sie betrachtete die Handfläche des Mannes, ihre Lippen bewegten sich.

»Nicht für jemanden mit deiner Art skrupellosem Charme. Nach dem, was ich gehört habe, ist er nur Spieltischen gegenüber loyal.« James blickte Barrett fragend an. »Wirst du es machen?«

»Selbstverständlich. In letzter Zeit habe ich mich zunehmend gelangweilt.«

»Großartig. Ich wusste, dass ich auf dich zählen kann.« James klopfte Barrett auf den Rücken. »Du lässt mich wissen, wann es erledigt ist?«

»Ja.« Barretts Blick glitt wieder zur Silhouette der Winterprinzessin.

James wandte sich zum Gehen und bemerkte, dass Barrett sich nicht rührte: »Kommst du?«

»Nein. Ich habe eine Verabredung mit meinem Glück.« Barrett schritt durch das große Zelt und stellte sich an der Schlange am Stand der Wahrsagerin an. Die Silhouette der Prinzessin faszinierte ihn, und er wollte den Basar nicht verlassen, ohne sie in natura gesehen zu haben.

Auf seinem Weg aus dem großen Zelt warf James einen Blick in Barretts Richtung, und seine dunklen Augen funkelten vor Zufriedenheit.

Eine Viertelstunde stand Barrett schon in der Schlange, als eine Frau, die fast so breit wie groß war, den zeltartigen Stand verließ. Ihr pausbäckiges Gesicht zeigte ein strahlendes Lächeln. Sie sah, dass Barrett als Nächster an der Reihe war und richtete die Spitze ihres Sonnenschirmes auf ihn. »Oh, die Prinzessin ist einfach wunderbar! Merken Sie sich meine Worte, sie ist den Shilling wirklich wert.« Ohne auf eine Erwiderung zu warten, rauschte sie davon zu einem Stand, an dem Duftkugeln verkauft wurden.

Barrett überreichte dem Dienstmädchen, deren Augenausdruck an den eines Wachhundes erinnerte, den Shilling. »Ihr habt fünf Minuten, Sir«, sagte sie und starrte auf die Münze in ihrer Hand.

»Mehr brauche ich auch nicht.« Er sah ihr Stirnrunzeln, als er das Zelt betrat.

Sein Blick traf den der Prinzessin. Er erkannte, dass seine Fantasie ihr nicht gerecht geworden war. Sie trug ein Bauernkleid und ein gelbes Umhängetuch. Ihr Haar war dunkler, als er es sich vorgestellt hatte, ein tiefes rot- bis kastanienbraun. Die langen Locken wurden von einem Tuch zurückgehalten. Sie trug große Ohrringe, unzählige metallene Armreife klimperten an ihren Handgelenken.

Ein Schleier bedeckte ihre Nase und die untere Gesichtshälfte, doch Augen und Stirn der Prinzessin waren zu sehen. Unter langen Wimpern sah Barrett die tiefblausten Augen, die er jemals gesehen hatte. Viel zu schnell blickte sie fort. Sie wirkte beunruhigt durch seine Musterung. War sie wirklich scheu, oder handelte sie so, um das Geheimnis zu verstärken, das sie umgab?

Die Prinzessin drehte eine Sanduhr herum, die neben einer flackernden Lampe auf dem Tisch vor ihr stand. »Bitte, Ihr könnt Platz nehmen«, sagte sie mit leicht rauchiger Stimme und wies auf einen Stuhl ihr gegenüber.

Barrett hob seine Rockschöße und setzte sich.

»Lasst mich jetzt Eure Handflächen sehen.«

Er legte die Hände auf das Tischchen, begierig darauf, dass sie sie berührte.

Das tat sie nicht. Ihre fein geschwungenen Augenbrauen zogen sich zusammen, und sie blickte aus zusammengekniffenen Augen auf seine Handflächen. »Was wünscht Ihr zu wissen?«

»Ihr könnt mir sagen, ob Ihr heute Abend mit mir speisen könnt.«

Die Prinzessin hielt den Blick scheu gesenkt. »Gewiss wisst Ihr, dass Prinzessinnen nie mit Fremden speisen.« Sie betrachtete weiter seine Handflächen.

»Dann sagt mir Euren Namen.«

»Nein, nein.« Sie fuhr mit einer Hand durch die Luft. »Das ist nicht erlaubt. Lasst mich jetzt sehen, ob ich Euch etwas über Euch selbst sagen kann.«

»Bitte.«

»Hm!« Sie neigte sich vor und zog mit ausgestrecktem Finger eine der Linien nach, ohne seine Handfläche zu berühren. Die vielen Armreife klimperten. Der Klang verlockte Barrett, auf ihre zarten Handgelenke zu blicken. »Ich sehe, Ihr habt Kummer in Eurem Leben.«

»Tatsächlich?« Barrett betrachtete eine dichte Locke, die über ihre Schulter gefallen war und sich bis zur Brust hinabringelte. Fasziniert beobachtete er, wie das Haar unter den Atemzügen der Prinzessin erzitterte.

»O ja. Sehr großen Kummer. Ihr habt eine ruhelose Seele. Ihr findet keinen Schlaf.«

Barrett versteifte sich und verbarg seine Überraschung hinter seiner üblichen Maske. »Woher wisst Ihr, dass ich an Schlaflosigkeit leide?«

»Ich sehe es in Eurer Handfläche.« Sie blickte auf, Entrüstung in den Augen.

»Was sonst seht Ihr?«

Er glaubte zu erkennen, dass sie lächelte. »Ich sehe, Ihr seid ein Mann, der gern Geld ausgibt, doch es verschafft Euch wenig Freude. Ihr langweilt Euch.«

Barrett spürte, wie sich der Druck in seiner Brust verstärkte. Seinen Reichtum konnte sie aufgrund seiner Kleidung leicht erraten haben. Die Bemerkung über seine Schlaflosigkeit musste ebenfalls eine Vermutung sein. Aber wie konnte sie wissen, dass ihm das Leben wenig Freude machte und er an Langeweile litt? »Welche anderen Charaktereigenschaften könnt Ihr erkennen?«, fragte er, und das Misstrauen, das in seiner Stimme mitklang, war nicht zu überhören.

»Ihr seid besonders wählerisch bei der Auswahl eines Schneiders – oh! Und ich sehe, dass Ihr eine schwierige Vergangenheit hattet. Irgendetwas verfolgt Euch immer noch.«

»Könnt Ihr sehen, was es ist?«

»Hm! Die Linien – sie sind verschwommen. Vielleicht Probleme mit Familienmitgliedern.« Sie blickte auf und musterte ihn kurz. »Vielleicht mit Geschwistern oder Euren Eltern.«

Eine weitere Mutmaßung. Sie konnte nichts von der Entfremdung mit seinem Vater wissen. Diese Lady war nicht nur verlockend, sie hatte auch eine sehr große Fantasie. Dennoch konnte er ihr die unheimliche Fähigkeit, aus seiner Hand zu lesen, nicht ganz absprechen.

»Ah. Ich kann Euch am Gesicht ablesen, dass ich Recht habe.« Sie senkte den Blick wieder auf seine Hand und blickte dann zu den letzten Körnchen, die durch die Sanduhr sickerten. »Ich befürchte, das ist alles, was Euch die Prinzessin sagen kann. Die Zeit ist um.«

Er stand auf und ergriff ihre Hand. Dann fuhr er mit seinem Daumen über ihre warme, weiche Haut. Er nahm wahr, dass ihre Handfläche schweißfeucht war. Er spürte ein leichtes Zittern und wusste, dass er sie entnervt hatte. »Sagt mir, wer Ihr wirklich seid«, sagte er und neigte sich hinab, um ihre Hand an seine Lippen zu drücken. Ihre Haut fühlte sich zart wie eine Daune an seinem Mund an. Er fragte sich, ob ihre Lippen ebenso weich waren.

»Das kann ich nicht.« Sie hielt den Blick gesenkt, und die dunklen Wimpern warfen lange, halbmondförmige Schatten auf ihre Wangen.

Barrett löste nur ungern seine Lippen von ihrer Hand. Der Schauer, der ihren Arm hinauflief, ließ ihn innerlich lächeln. »Wie kann ich Euch überreden?«

Das Dienstmädchen öffnete die Plane am Eingang und spähte hinein. »Alles in Ordnung hier?«

»Ja, Mildred. Der Gentleman will gerade gehen.«

Als Barrett der Prinzessin einen weiteren Blick zuwarf und die Entschlossenheit, ihn loszuwerden, in ihren Augen sah, faszinierte sie ihn mehr denn je. Sie hatte seine Neugier geweckt und eine Saite tief in ihm berührt, von der er sich niemals würde lösen können.

Ein Tumult draußen zwang sie, hinauszublicken. Lord Collins, ein großer, schlanker Gentleman mit einem Raubvogelgesicht, stolperte an Mildred vorbei und warf ihr einen Shilling zu. Er blieb schwankend im Eingang stehen, sein Atem roch nach Alkohol. »Wo ist die süße kleine Wahrsagerin?«, brüllte er.

Dann fiel Collins' Blick auf die Prinzessin. Er grinste und zwinkerte ihr lüstern zu. »Ich hoffe, du kannst mehr als nur wahrsagen.«

Barrett sah, dass die Prinzessin zurückwich. »Geht, Collins«, sagte er mühsam beherrscht. »Ihr seid betrunken.«

Collins heftete den Blick auf Barrett. Sein Grinsen verschwand. »Bei Gott! Waterton! Welches Ungeziefer lässt man nur auf diesem Basar herumkriechen!«

»Ganz meine Meinung.« Barrett hielt Collins' Blick stand.

»Warum seid Ihr hier, wenn Ihr doch unterwegs sein könntet, um sonst jemandem die Existenz zu ruinieren?«, fauchte Collins

Barrett umklammerte seinen Stock fester, um Collins nicht damit zu schlagen. »Ihr habt die Dame beleidigt, und ich fordere Euch noch einmal auf, das Zelt zu verlassen.«

»Ich denke nicht daran. Ich habe meinen Shilling bezahlt.«

Mildred drückte ihm die Münze in die Hand. »Hier, nehmt Euer Geld und geht, Sir. Hier sind nur Gentlemen zugelassen.«

Collins verdrehte die Augen. »Oh, so ist das, wie? Mein Geld ist so gut wie seines.« Er wies mit dem Daumen auf Barrett und hob dann die andere Hand, um die Münze zu Mildred zurückzuwerfen.

»Ihr hört wirklich nicht zu.« Barrett ergriff Collins' Arm und stieß ihn zum Eingang.

Mildred hielt die Plane zur Seite, und Collins stolperte rückwärts hinaus.

Barrett hörte die Prinzessin hinter sich nach Luft schnappen, als Collins zurück ins Zelt stürmte, den Blick seiner dunklen Augen auf Barrett gerichtet. Er holte zu einem Schwinger aus.

Barrett stieß ihm seinen Spazierstock gegen die Rippen. Collins krümmte sich und griff dann wieder wütend an.

Barrett duckte sich, hob seinen Stock und versetzte Collins damit einen Schlag ans Kinn. Bevor Collins zurücktaumelte, benutzte Barrett den gebogenen Griff des Spazierstocks, um ihn hinter Collins' Nacken zu haken und ihn nach vorn zu ziehen. Dann schlug er zu.

Sein Gegner flog zurück, prallte gegen die Seitenwand des Standes und rutschte dann an dem schweren Segeltuch herab. Collins blinzelte aus glasigen Augen. Blut sickerte aus seiner Nase.

Einige der Gentlemen in der Warteschlange eilten hinein, um ihm auf die Beine zu helfen.

Collins schob sie zur Seite und hob die Faust. »Ich sollte Euch töten!«, schrie er Barrett zu.

»Nennt den Ort und die Zeit.« Barrett hakte seinen Spazierstock wieder über den Arm; dann schnipste er einen Fussel vom seinem Mantel und sah Collins an.

Für einen Moment sagte keiner von ihnen etwas. Die Spannung zwischen ihnen schien die Luft zum Knistern zu bringen. Barrett behielt seine trügerisch ausdruckslose Miene – eine Maske, die er im Laufe vieler Jahre meisterhaft zu beherrschen gelernt hatte, um einzuschüchtern und zu demütigen.

Collins' Gesicht verzerrte sich vor Wut und Frustration. Dann blickte er fort und wischte sich das Blut von der Nase. »Das werde ich nicht vergessen!«, stieß er hervor, bevor er aus dem Zelt stolperte.

Barrett wandte sich um und sah die Winterprinzessin an. Sie stand dort mit weit aufgerissenen Augen. »Seid Ihr wohlauf?«, fragte er besorgt.

»Mir geht es gut.« Sie nickte bekräftigend und schien ihre Fassung schnell wiederzugewinnen.

Barrett hatte das Gefühl, dass die Prinzessin trotz ihrer offensichtlichen Scheu sehr beherrscht war. Er wandte den Blick von ihr ab und sah Mildred an. »Und Ihr seid auch wohlauf?«

»Ich habe mich erschreckt, Sir. Es war freundlich, was Ihr getan habt. Schwer zu sagen, wozu er sonst fähig gewesen wäre.« Ihre Stimme klang aufgeregt.

Die Prinzessin sah Barrett an. »Euch haben wir zu verdanken, dass es so glimpflich ausgegangen ist.«

Barrett bemerkte, dass ihre Stimme den gleichen rauchigen, verführerischen Klang hatte wie zuvor. »Erlaubt mir, Euch nach Hause zu begleiten.«

»Das ist sehr freundlich, aber ich habe versprochen, auf diesem Basar mitzuwirken.«

»Wie viel hattet Ihr erhofft, heute einzunehmen?«

Sie zuckte die Achseln. »Ich weiß es wirklich nicht, Sir. Wir hofften, mindestens fünfundzwanzig Pfund für die Armen zu verdienen.«

Barrett griff in seine Jacketttasche und zog eine Hundert-Pfund-Note hervor. »Wird das reichen?«

Ihre Augen weiteten sich. »Ihr seid zu großzügig.«

»Nein, Mylady. Ich bin vieles, aber niemals großzügig.« Barrett zwinkerte ihr zu. »Ich gebe zu, dass ich es nur um Euretwillen tue.« Er schenkte ihr sein charmantestes Lächeln.

Sie lächelte scheu zu ihm auf, während sie nervös die Reife an ihren Handgelenken befingerte. »Dieser verachtenswerte Mann mag Euch anscheinend nicht.«

»Ja, wir kennen uns lange.«

»Bitte, sagt mir, dass Ihr Euch nicht meinetwegen mit ihm duellieren werdet.« Sie schaute ihn besorgt an.

»Ihr könnt unbesorgt sein. Als das Rückgrat verteilt wurde, bekam Collins ein sehr schwaches.«

Ein Lächeln erreichte ihre Augen.

Und irgendetwas an diesem Lächeln berührte Barrett wie nichts seit langer Zeit. »Genug zu Collins, Lady«, sagte er. »Kommt, Ihr müsst Euch von mir nach Hause begleiten lassen.«

Mildred warf Barrett einen misstrauischen Blick zu und reichte der Prinzessin ihr Retikül. »Ich werde sie nach Hause bringen.«

»Nein, Mildred«, sagte die Prinzessin. »Ich kann nicht weggehen. Mrs Pool verlässt sich auf mich.«

Eine grauhaarige, blasse Frau betrat den Stand. Sie eilte zur Prinzessin und tätschelte ihren Arm. »Oh, solch eine Aufregung! Hat man so was schon erlebt? Ihr solltet heimkehren, meine Liebe. Wir können auch ohne Euch auskommen.«

»Und was wird mit diesem Stand, Mrs Pool?«

»Die Leute werden sich einfach von mir wahrsagen lassen müssen.« Mrs Pool lächelte und gab der Prinzessin einen mütterlichen Klaps.

»Hier, Mrs Poole.« Die Prinzessin überreichte ihr die Hundert-Pfund-Note.

Die ältere Frau nahm sie und schnitt eine Grimasse. »Du meine Güte. Als ich die Organisation für diesen Basar übernahm, dachte ich nie an die Sicherheit. Ich kann eine solch große Summe nicht hier behalten. Nach dem, was soeben passiert ist, überrascht es mich, dass noch niemand versucht hat, uns auszurauben.« Mrs Pool erschauerte. »Ich bitte Euch, meine Liebe, nehmt dieses Geld mit Euch nach Hause. Ich werde mich erst ruhiger fühlen, wenn ich weiß, dass es von hier fort ist.« Sie drückte der Prinzessin den Geldschein in die Hand. »Ich werde meinen Mann vorbeischicken, um es abzuholen.« Sie schaute auf das Bauernkleid, das Umhängetuch und den Schleier und fügte hinzu: »Zusammen mit den Kleidungsstücken.«

»Wenn es Euch beruhigt, Mrs Pool.«

»Oh, das wird es.«

Die Prinzessin steckte die Banknote in ihr Retikül. Barrett beobachtete sie. Er wünschte, sie würde den Schleier abnehmen, damit er die untere Hälfte ihres Gesichtes sehen konnte.

»Ich werde dafür sorgen, dass sie sicher nach Hause kommt.« Nachdem Barrett sich vor der älteren Dame verneigt hatte, wartete er, während Mildred ihrer Herrin ein Cape um die Schultern hängte. Dann bot er der Prinzessin seinen Arm und führte sie hinaus.

Er bemerkte die enttäuschten Gesichter der Gentlemen, die in der Schlange standen. Ein Gefühl des Triumphes stieg in ihm auf, als er sagte: »Meine Kutsche wartet nicht weit entfernt.«

»Wir haben unsere eigene Kutsche, Sir«, sagte das Dienstmädchen und blickte ihn aus ihren schmalen braunen Augen an.

»Dann erlaubt mir die Ehre, Euch dorthin zu begleiten.«

»Nein. Wir haben Eure Freundlichkeit schon über Gebühr strapaziert.« Die Prinzessin lächelte scheu. Dann rannte sie fast fluchtartig aus dem großen Zelt hinaus, das Dienstmädchen an ihrer Seite.

Er erkannte, dass das Objekt seiner Begierde entkam, und folgte ihr hinaus zu einer Reihe von Mietdroschken, die auf der Straße parkten. Bevor die Prinzessin einstieg, ergriff er ihren Arm. »Ihr könnt nicht so einfach aus meinem Leben verschwinden, Mylady. Nennt mir wenigstens Euren Namen.«

»Das wird sie nicht tun, Sir«, fuhr Mildred ihn an und schlug seine Hand vom Arm ihrer Herrin fort. »Es wäre nicht schicklich, und das wisst Ihr.«

»Dann erlaubt mir, so vermessen zu sein, Euch meinen ...« Barrett verstummte, als Mildred ihre Herrin in die wartende Kutsche drängte und hinter ihr hineinsprang. Die Tür knallte zu.

»Lord Wat...«

Der Fahrer schlug mit den Zügeln, die Kutsche fuhr an und gewann rasch an Geschwindigkeit.

Barrett presste die Lippen aufeinander, und der Rest seines Namens erstarb. Er murmelte einen Fluch.

Als er sich umwandte, um zu seiner Kutsche zu laufen, sah er, wie ein Ingwerkuchenverkäufer seinen Stand verließ, einen Hund an seinem Fell am Nacken packte und mit einem Gürtel schlug. Barrett blickte zu der Mietdroschke, die sich immer weiter entfernte, und dann zu dem Mann, der den Hund schlug. Der Lady folgen oder den Hund retten – was sollte er tun?

Kapitel 2

»Hölle und Verdammnis!«, stieß Barrett hervor und rannte er die Straße.

»Ich werde dir austreiben, hier wieder betteln zu kommen!« Der Mann holte aus, um den Hund von neuem zu schlagen.

Das klägliche Winseln des Tieres schoss Barrett wie Nadelstiche durch den Körper. Binnen Sekunden erreichte er den Verkäufer, stieß ihm seinen Spazierstock gegen die Brust und entriss ihm den Hund. Er schaute den Mann böse an. Fettiges Haar lugte unter dessen brauner Mütze hervor, in seinen Augen war keine Spur von Mitleid zu sehen.

»He, was soll das? Dieser Köter kommt dauernd betteln. Ich habe das Recht, ihm das Fell zu gerben!« Der Mann drohte mit dem Gürtel.

»Nicht in meiner Gegenwart. Wenn ich jemals wieder sehe, dass Ihr ein Tier schlagt, werdet Ihr die gleiche Behandlung von mir erfahren.«

»Jawohl, Mylord«, murrte der Verkäufer.

Barrett schritt zu seiner Kutsche. Er blickte auf den Hund hinab, der immer noch in seinen Armen zitterte. Große braune Augen, fast verdeckt von zottigen grauen Haarbüscheln, blickten zu ihm auf.

»Du brauchst mich nicht so anzusehen.« Barrett suchte die Straße nach der Mietdroschke ab. Sie war nirgends zu entdecken. »Sie ist fort, mein Junge. Ich habe sie verloren.« Er tätschelte den Kopf des Hundes und murmelte vor sich hin: »Wie schwer mag es sein, eine junge Dame mit einem Dienstmädchen namens Mildred ausfindig zu machen?«

***

»Ich bin froh, dass ich mich daran erinnert habe, dich Mildred zu nennen.« Lady Meagan Fenwick sah ihre Zofe Tessa an. Dann zog sie mit einem Ruck das Tuch von ihrem Kopf. Lange kastanienbraune Locken fielen bis über ihre Schultern hinab. Sie schob eine Strähne hinter ihr Ohr zurück und schaute aus dem Fenster der Kutsche auf die Bäume des St. James's Parks.

»Das ist gut. Ich glaube nicht, dass Lord Watt die Suche nach dir so leicht aufgeben wird.«

»Lord Watt?«

»Ja, der Gentleman nannte seinen Namen. Hast du das nicht gehört?«

»Nein.« In ihrer Hast, dem Gentleman zu entkommen, hatte Meagan überhaupt nichts gehört. Sie war viel zu durcheinander gewesen.

Sie rief sich in Erinnerung, wie Lord Watt sie geküsst hatte, wie sie seine Lippen auf ihrem Handrücken gespürt hatte, wie sein heißer Atem ein Prickeln ihren Arm hinaufgeschickt hatte.

Tessas Stimme riss Meagan aus ihren Gedanken. »Du hast kein Wort von dem mitbekommen, was ich gerade gesagt habe.«

»Entschuldigung, ich war in Gedanken.«

»Ich sagte, es war Glück, dass Lord Watt dort war, um diesen Collins rauszuwerfen. Es gibt immer einen in der Menge, der Ärger macht.«

»Ja.« Meagan sah geistesabwesend aus dem Fenster, in Gedanken bei Lord Watt. Obwohl sie wusste, dass sie nicht an ihn denken durfte, ihn vergessen musste. »Es wird mir immer ein Rätsel bleiben, warum um alles in der Welt ich mich von Harold habe zwingen lassen, nach London zu kommen und meine Dienste für den Basar anzubieten.«

»Nun, ich missbillige vieles, was dein Bruder tut, aber es konnte nicht schaden, in die Stadt zu fahren und auf dem Basar zu arbeiten. Du warst verkleidet, also hat dich niemand erkannt. Es hat dir gut getan, vom Land fortzukommen – auch wenn dieser stupide Collins den Tag verdorben hat.« Tessa blickte Meagan von der Seite an. »Und mir missfällt auch dieser Lord Watt.«

Meagan sah Tessa fragend an.

»Er hatte ein hungriges Glitzern in den Augen. Oder nenne es meinetwegen ein begieriges Funkeln. Er hat dich betrachtet wie ein schmackhaftes Stück Roastbeef, ist dir zu der Kutsche hinaus gefolgt und hat dich nach dem Namen gefragt.« Tessa schnaubte missbilligend. »Nun, er mag ein Gentleman sein, aber ich traue ihm nicht. Es wird andere für dich geben.«

»Ich will keine anderen.« Meagan erkannte, dass sie ihre Worte überbetont hatte.

»Du bist erst zwanzig, und ich weiß, was du denkst. Es ist nicht nötig, dass du wegen deiner körperlichen Verfassung dein Leben wegwirfst. Seit fünf Jahren hattest du keinen Anfall mehr. Es ist unwahrscheinlich, dass es einen Rückfall gibt, nachdem wir jetzt wissen, wie dein Leiden zu beherrschen ist.«

»Ich hatte nicht daran gedacht.« Meagan schluckte hart. Ihre Krankheit lauerte stets drohend in ihrem Unterbewusstsein wie ein Schreckgespenst. Das Leiden hatte ihr Leben derart zerstört, dass sie sich vermutlich nie davon erholen würde. Sie blickte hinab auf die Hand, die Lord Watt geküsst hatte. »Ich bin entschlossen, dass nur tiefste Liebe mich zu einer Ehe bewegen kann. Ich bezweifle, dass irgendein Mann bereit sein wird, mich mit einer so kleinen Mitgift zu heiraten oder sich mit meiner Vorliebe für Bücher und wissenschaftliche Studien abzufinden.«

»Mach dir nicht selbst etwas vor. Irgendwo dort draußen wird es jemanden geben.«

»Ich werde ihn nicht finden. Du weißt, wie eigen ich in meiner Art bin. Und ich will keinen Mann haben, der mich nicht liebt, wie ich bin. Jedenfalls möchte ich nicht von einem Mann herumkommandiert werden.«

Tessa blickte Meagan von der Seite an. »Es ist nicht so schlecht, von einem Mann herumkommandiert zu werden, der einen liebt.«

Meagan winkte ab. »Lass uns nicht mehr von Liebe sprechen. Ich werde direkt heimfahren.« Der Gedanke an die Heimkehr veranlasste Meagan, auf den Schleier in ihren Händen zu blicken. Seit einiger Zeit war ihr die Langweiligkeit ihres Lebens zuwider geworden, doch das würde sie Tessa gegenüber niemals zugeben.

»Es wäre eine Schande, wenn du nicht ein bisschen länger bleiben würdest.«

»Dir gefallen einfach die Belustigungen hier.«

»Du solltest sie ebenfalls genießen. Es gibt mehr im Leben als Bücher und Astrologie. Bis jetzt haben wir nicht viel außer dem Museum gesehen. Du hast die ganzen zwei Tage in der Bibliothek herumgestöbert.«

»Es ist nicht irgendeine Bibliothek. Ist dir klar, dass sich darin Sir William Herschels Schriften und der Entwurf für sein Newton-Teleskop befinden?«

»Ja. Aber was willst du damit anfangen?«

»Ich habe die Entwürfe gesehen. Mehr konnte ich nicht erhoffen.« Meagans Stimme klang entzückt.

»Ich verstehe nicht, was es dir bringt, irgendwelche Schriften anzusehen.« Tessa schüttelte den Kopf; ihre Miene zeigte an, dass sie ihre Herrin niemals verstehen würde. »Du solltest diese Sternguckerei vergessen. Bei den Sternen wirst du in der Ewigkeit sein, leben tust du nur einmal. Amüsier dich, geh zu Bällen und Vergnügungen!«

»Ich sollte heimgehen, wo ich hingehöre.«

»Du kannst dich nicht dein ganzes Leben lang vor den Leuten verstecken.«

Meagan wusste, dass Tessas Vorhaltungen aus Zuneigung und Loyalität geboren waren. Tessa war bis zum Tod ihrer Mutter deren Zofe gewesen; danach war sie Meagans Zofe geworden. Und Tessa war immer wie ein Familienmitglied behandelt worden, doch manchmal konnte sie nervtötend sein – wie jetzt.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2022
ISBN (eBook)
9783968982335
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2022 (Dezember)
Schlagworte
Historischer Liebesroman Nackenbeißer Historische Romantik Historische Romanze Historische Romanzen der Regentschaftszeit Historische Erotik Regency-Roman Christi Caldwell Bridgerton eBooks

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Titel: Regency Secrets